Silvester 2010 feierte ich mit meinen drei Brüdern in Las Vegas. Im Vorfeld habe ich mich erstmals mit Blackjack und dem Karten zählen beschäftigt und wollte mein theoretisches Wissen endlich in der Praxis testen.
Nachdem wir die beste Silvester-Party unseres Lebens auf der Fremont Street Experience in Las Vegas Downtown gefeiert hatten, nahmen wir in den ersten Morgenstunden des Jahres 2011 den Deuce Bus zurück zum Strip, wo wir unser Vier-Bett-Zimmer im Luxor hatten.
Während meine Brüder um drei Uhr nachts betrunken und müde waren, war ich nur ersteres und voller Tatendrang. Kurzerhand lieh ich mir 50 Dollar von meinem jüngsten Bruder und sprang auf halber Strecke am damaligen Sahara Casino aus dem Bus.
Die anderen fuhren nach Hause, ich ging zum Blackjack-Tisch. Ich kaufte mich an einem 5-Dollar-Tisch ein und bildete mir ein, erfolgreich Karten zu zählen. Vielleicht hatte ich aber auch nur Glück.
So oder so: Ich verdreifachte meinen Einsatz und lies mir 150 Dollar auszahlen. Mit diesem Gewinn war ich allerdings erst richtig heiß auf Blackjack geworden und ging weiter ins benachbarte Circus Circus Casino.
Dort setzte ich mich gleich an den 10-Dollar-Tisch und lernte einen einheimischen kennen, der mich als "King of North Vegas" bezeichnete.
Denn meine Glückssträhne ging auch im Circus Circus weiter und ich spielte bis ich 200 Dollar Gewinn in der Tasche und meinen Einsatz damit verfünffacht hatte.
Höchsteuphorisiert beschloss ich trotz winterlichen -5 Grad den Weg nach Hause zu Fuß zu gehen. Doch die Wege in Las Vegas wirken immer kürzer, als sie sind.
So war ich gefühlt eine Stunde unterwegs, als mir auf Höhe des Bellagio-Springbrunnens eine weinende Frau entgegen kam.
Ich fragte sie, was passiert ist und sie meinte: "Ich habe meine Freunde verloren, ich habe kein Geld mehr um nach Hause zu kommen und mir ist so kalt."
Ich zeigte ihr meine blinkenden Handschuhe, die ich auf der Fremont-Street gekauft hatte und lud sie auf einen Kaffee und Zigaretten im Paris Hotel ein.
Aufgewärmt hörte sie auf zu weinen und fing wieder an zu lächeln, als sie mir erzählte, dass sie eine Stripperin namens Porsche ist und einen Sohn namens Zion hat, zu dem sie unbedingt nach Hause in einen Vorort von Las Vegas will.
Spontan rief ich ein Taxi und investierte meinen Blackjack-Gewinn in die Fahrt zu Zion. Sie verabschiedete sich mit den Worten: "Du bist ein Engel!"
Manchmal muss man einfach ein netter Kerl sein.
Radek, München