Wir befinden uns nicht mehr im wilden Westen, und Pokerspieler werden nicht mehr als Außenseiter und vogelwilde Glücksritter gebrandmarkt. Ein umfangreicher Imagewandel, den Pokern sich insbesondere durch seinen neuen Ruf erarbeitet hat, kein reines Glücksspiel, sondern vor allem ein strategisches Spiel zu sein.
Neben all seiner psychologischen Finesse verdankt es dieses aktuelle, positive Bild in der öffentlichen Wahrnehmung, auch der von mir persönlich hoch geschätzten Mathematik. Wenn man der öffentlichen Berichterstattung Glauben schenkt, wimmelt es ja in der Zwischenzeit auf den diversen Turnieren der WSOP nur so von promovierten Mathematikern und Informatikern.
Auch hier möchte ich die „Kirche im Dorf lassen“ und den geforderten mathematischen Anspruch doch etwas relativieren. Mathematik ja, aber die erforderlichen Kenntnisse bewegen sich dann doch auf einem sehr überschaubaren Niveau, der selbst im Idealfall erweiterten Grundkenntnissen in der Wahrscheinlichkeitsrechnung entspricht.
Dennoch ist gerade der Expected Value von herausragender Bedeutung. Er bezeichnet den durchschnittlichen Erwartungswert eines Ereignisses, und für jeden langfristig erfolgreichen Pokerprofi gilt die Devise: Vermeide Bets mit einem negativen Erwartungswert und spiele nur, wenn der gegebene Einsatz, die Gewinnwahrscheinlichkeit und die Höhe des möglichen Gewinns einen positiven Erwartungswert ergeben.
Dasselbe gilt natürlich auch für einen Fußballberater. Nur bezieht sich unser Expected Value auf die Wahrscheinlichkeit, einen uns angebotenen Spieler auch tatsächlich verkaufen zu können. Reine Karteileichen gestalten zwar die Agenturliste interessanter, bringen aber außer zusätzlicher Arbeit nichts Monetäres ein. Und wie schon häufiger erwähnt, bildet alleine der Lockruf des Geldes für einen Berater die ausreichende Motivation, sich in die dreckigen Untiefen des Transfergeschäfts zu begeben.
Den Überblick zu behalten, welcher Fußballer über genügend spielerisches Potential verfügt, dass man ihn zu lukrativen Bedingungen verkaufen kann, wird immer unübersichtlicher. Fußballspieler werden teilweise wie billiger Ramsch auf den internationalen Transfermarkt angeboten. Alleine aus Brasilien erhält man monatlich mindestens eine Liste mit 50 bis 100 Spielern, die händeringend nach einem neuen Verein suchen.
Fußballprofis sind in Brasilien ein erfolgreiches Exportgut, über 4.000 Spieler bereichern die unterschiedlichen Ligen dieser Welt. Ob Australien, Bolivien, Aserbaidschan, China oder die 2. Indonesische Liga; kein Land ist zu uninteressant, keine Liga von ihrer Reputation zu unspektakulär, als dass nicht wenigstens ein paar brasilianische Fußballprofis in ihr spielen.
Unter den einer renommierten Agentur zugestellten Offerten befinden sich neben Spitzenspieler von Série A Clubs wie Flamengo Rio de Janeiro, ebenso Spieler von Clubs aus der Série B, Série C und der Série D.
Im Gegensatz zu allen anderen Ligen dieser Welt kann man anhand der Klasse der Liga, nicht gleich auf die Klasse der Spieler schließen. In Brasilien sind die Stadtderbys in den unterklassigen Ligen teilweise besser besucht, als Spitzenspiel der Série A. Und so ist es durchaus möglich, dass Spieler von einem Série D Club die Qualität besitzen, in einigen 1. Europäischen Ligen zu bestehen.
Um sich ein besseres Bild machen zu können, sind den Angeboten meist eine Auswahl an DVDs beigelegt. Und glaubt mir, selbst für den größten Fußballenthusiasten gibt es nur wenig monotoneres, als sich stundenlang diese Zusammenschnitte der angeblich besten Szenen anzuschauen.
Es geht um den Erwartungswert, um Geld, und die meisten brasilianischen Spieler sind so schwer zu verkaufen, dass es sich für unsere Agentur nicht rentiert hat, an diesem Geschäft teilzuhaben. Brillante Techniker - unwidersprochen, aber meistens so sensibel, dass sie mindestens eine Saison benötigen, um ihr normales Leistungspotential abzurufen.
Dazu sind sie keine EU Bürger, was durch die begrenzten Ausländerkontingente für Nicht-EU-Spieler einen Verkauf weiter erschwert. Brasilien als Urlaubsland gerne, aber der Ertrag in der Relation zu dem notwendigen Aufwand ist so gering, dass sich ruhig die kleineren Agenturen mit dieser Thematik weiter beschäftigen dürfen.
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