Die Croupiers wussten von meiner Spielsucht

Die Croupiers wussten von meiner Spielsucht

03 Feb 2012 | 07:01 Autor: Pia, Harald

Hunderte kleine Schweißtropfen perlen auf ihren blassen Gesichtern. Ihre Augen erloschen, verglüht in der Hoffnungslosigkeit, der sich immer gleichenden Wiederholung eines in der eigenen Sinnlosigkeit ersoffenen Lebens. Sie wissen sie ruinieren sich und ihre Familien, und dass ihr Spiel nur noch dazu dient, sich von den immer größer werdenden Problemen, Depressionen, Ängsten, Schuldgefühlen abzulenken. Sie können sich und ihre Wirklichkeit nicht mehr akzeptieren und fliehen deshalb in die Traumwelt des Glücksspiels.

Sie sind süchtig.

Grundsätzlich sind die Spielbanken dazu verpflichtet, die Spielsucht zu bekämpfen. Nur, die  Croupiers haben überhaupt gar kein Interesse daran, die Süchtigen vom Spielen abzuhalten. Der Grund ist ganz einfach. Mehr Süchtige, mehr Lohn!

Um eine Konzession zu erhalten, müssen alle Casinos ein Sozialkonzept vorlegen, in dem sie unter anderen darlegen, wie sie die Spielsucht konkret eindämmen wollen. Unter anderem verlangt dieses Konzept: Croupiers müssen spielsüchtige Casino-Besucher als solche erkennen und sie auf Beratungsstellen hinweisen. Falls das nichts nützt, müssen die Betroffenen mit einer Casino-Sperre belegt werden.

Das Problem ist. Viele Casinos nehmen ihre Präventionspflichten in der Suchtbekämpfung nicht nur wenig ernst, sondern diejenigen die sich aktiv um eine korrekte Umsetzung bemühen, müssen auch noch intern mit Widerständen rechnen.

„In der Praxis konnte ich meinen Auftrag nie erfüllen. Wenn ich auf Missstände hingewiesen habe, hieß es, ich solle nur gerade das Allernötigste unternehmen, um die Spielbankenkommission zu besänftigen.“ So Sonia Tarchini, die in den Casinos Mendrisio und Locarno für die Prävention als Sozialarbeiterin zuständig war. (Die beiden Casinos bestreiten natürlich diese Vorwürfe.)

Wie jeder Angestellte profitierte auch Sonia Tarchin von den Trinkgeldern, welche die Spieler an einem Abend geben. Nach Schätzungen bringen Spielsüchtige  (die dazu meist auch noch besonders abergläubisch sind, und durch ein Unterlassen von Trinkgeldern ihr Glück nicht negativ belasten wollen) 80 Prozent dieses Geldes.

Unter diesen Umständen erstaunt es nicht, dass Süchtige ungehindert bis zum Ruin weiterspielen können. In den Casinos Pfäffikon und Baden AG hat Thomas  Hahne (ich habe den Namen geändert) innerhalb von zwei Jahren eine Million Franken verspielt. Trotzdem wollten die Casino-Angestellten von Hahnes Sucht offiziell nie etwas bemerkt haben

„Ohne Kunden, die über ihre Verhältnisse spielen, müssten die Spielcasinos dicht machen», ist Peter Küllmer, Stellenleiter der Baselbieter Suchtberatung, überzeugt. „Rund 80 Prozent der Einnahmen der Casinos stammen von Spielsüchtigen. Ohne Kunden, die Einkommen, Ersparnisse, Kredite, vorbezogene Erbschaften usw. verspielen und so ihre Existenz ruinieren, haben Casinos null Überlebenschance und müssten wie ein Opernhaus subventioniert werden.“

„Die Croupiers wussten, dass ich spielsüchtig war, und niemand hat mich am Spielen gehindert.“ Thomas Hahne klagt die Casinos an.

„Bevor ich spielsüchtig wurde, lag mein Jahreslohn bei über 150 000 Franken. Eines Tages luden mich einige Freunde ins Casino Pfäffikon ein. Ich verlor 5000 Franken. Nach zwei Monaten waren alle meine Ersparnisse weg. Ich verspielte jeweils meinen ganzen Monatslohn, zahlte die Steuern und die Rechnungen nicht mehr, nahm Kleinkredite auf mit dem Vorwand, ich wolle ein Ferienhaus kaufen.

Meine Leistungen im Büro gingen zurück, bis ich den Job hinschmiss. Ich verkaufte mein Haus und verspielte den ganzen Erlös. Ich gründete eine Firma, um das Geld der Pensionskasse ausgezahlt zu bekommen. Dann verspielte ich es im Casino Baden.

Bei Freunden und Verwandten kratzte ich weitere 200 000 Franken Darlehen zusammen. Als auch dieses Geld verspielt war, ließ ich mich auf Druck meiner Frau für alle Casinos sperren. Jetzt bin ich zwar nicht mehr spielsüchtig, aber wegen meiner hohen Schulden finde ich keinen Job. Insgesamt habe ich eine Million Franken verjubelt. Die Croupiers wussten sehr wohl, dass ich spielsüchtig war. Dennoch hat niemand eingegriffen. Im Gegenteil: Sie machten Druck, damit ich ihnen Trinkgeld gebe.“

Ein wenig widert mich ja sein Gejammer an, aber das ändert nichts an dem Umstand, dass die Casinos ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen.

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